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Quietschbunte Kampffische

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Was dem einen ein Herzensanliegen ist, wird gleichermaßen von anderer Seite geächtet: schreiend bunte Kampffische, die mittlerweile mehr und mehr auch bei uns zu finden sind und sich zunehmend auf Championaten präsentieren- sogar die Weibchen! Die Social Media Plattformen explodieren geradezu vor noch bunteren Fischen, sodass sogar der ein oder andere Meerwasserfisch farblich fast schon Konkurrenz zu befürchten hat.

Abgesehen von einem kunterbunten Irgendwas ist auch die Namensgebung teilweise höchst… „fancy“ und setzt nahezu überhaupt keine Grenzen mehr, getreu dem Motto: I name it- you buy it! Was steckt aber hinter dem Hype? Haben die bösen Zungen Recht, wenn sie behaupten, der Koi Farbschlag wäre wider die Natur, die Tiere hätten ein erbärmliches Leben vor sich?

Schauen wir uns das Spektakel doch einmal genauer an und unternehmen einen kleinen Exkurs ins Reich der Koi und Nemo.

 
Betta splendens Koi Nemo Weibchen

Der Betta in der Aquaristik

Aus der Aquaristik ist der Betta als Einzelgänger kaum mehr wegzudenken, vor allem lässt er sich leicht pflegen und ebenso einfach vermehren. Kein Wunder also, dass auch der Betta splendens gerne zu Kreuzungen heran gezogen wird, vor allem in einer Zeit, in der das Importieren von Fischen von einem Kontinent zum anderen nur noch wenige Hürden darstellt.

Zum Schreien bunt, in Quietschfarbe und mit verdächtig langem Stammbaum, den nur wenige wirklich dokumentieren, vom Docuholicer Joep van Esch mal abgesehen- so schwimmen sie daher, die bunten Kameraden, bei denen man annehmen könnte, sie hätten im Wasserfarbkasten geplantscht.

Auffällig ist aber trotzdem, dass die meisten Koi im Gegensatz zu den „üblichen Kampffischen“ kaum mehr über riesige Flossen verfügen, sondern eher kompakt, beinahe schon kurzflossig erscheinen: der sogenannten „Plakat“-Form, die eher kurze Flossen bezeichnet. Daneben existieren natürlich Fische mit den üblichen Schleierformen. Bekannt ist aber auch der Halfmoon Plakat, der die 180° wesentlich leichter und damit eine D-förmige Caudale präsentieren kann. Dennoch sind auch Tiere der Urform mit etwas Training fähig, die Flossen bis zum Zerreißen zu spannen, zeigen aber meist nur eine C-förmige Caudale, weswegen sie auf Shows meist in die Klasse der Traditional Plakat fallen. Der Hintergrund dieser Tatsache ist aber schnell erklärt: Kurzflosser sind meist schneller und unaufwändiger zu züchten und weisen auch später erheblich weniger Probleme auf. Ursprünglich werden kurze Flossen vor allem in Asien favorisiert, weswegen der Trend auch hier zunehmend Fans findet, denn diese Tiere sind wesentlich wendiger in ihren Bewegungen, was gerade auf Wettbewerben von Vorteil ist. Letztlich ist der Plakat auf das Entstehen neuer Farben zurückzuführen, die es vorher noch nicht gab- auch beherrscht er die Leidenschaft des Balzens so prächtig, dass durchaus mal die Fetzen fliegen können. Häufig führt der Anblick kurzer Flossen aber gerade beim Kunden zu Verwechslungen im Geschlecht.


Betta splendens Koi

Koi Bettas auf Championaten

Marble starten für gewöhnlich in der Kategorie All other color (AOC), Koi und Nemo hingegen haben derzeit noch keine eigene, so die Aussage des German Betta Contest. Auch unter den teilnehmenden Weibchen finden sich vermehrt farbenfrohe Nemo-Damen wieder. Da aber vor allem nach Flossenform und Verhalten beurteilt wird, stehen die Nemos derzeit noch etwas hinten an, denn um gegen „alte Hasen“ anzutreten, bedarf es noch fleißiger Selektion in der Zucht, da es eben Zeit bedarf, eine völlig neue Farbe in eine aufwändige Flossenform zu züchten. Die rege Teilnahme von Nemos auf Championaten beweist aber, dass hier durchaus Potential vorhanden und es lediglich, wie damals beim Halfmoon, nur eine Frage der Zeit ist, bis sich der erste aufs Siegertreppchen schwimmt.

Auch wenn es viele kuriose Theorien über die Farbgebung dieser „neuen“ Fische gibt, so ist die Erklärung letzten Endes genauso simple und ernüchternd, wie bei anderen neuen Farbformen auch: die Genetik macht´s! Und die beherrschen die einen eben besser als die anderen und können den splendens-Formenkreis mitsamt seinen Wildformen und Fundorten im Schlaf aufsagen. Setzt man nun dieses theoretische Wissen in die Praxis um, wird etwas Neues „kreiert“: der Nemo zum Beispiel. Der letztlich „nur“ ein Resultat aus genetischer Vielfalt und entsprechenden Veränderungen ist: So weist die Genetik des sogenannten Nemo die des Koi (also einem gefleckten Kampffisch, auch wenn einige hartgesottenen Verfechter vehement auf rot und weiß beharren) auf- gepaart mit dem Dalmatian Gen, das aus einfachen roten oder orangen Farbklecksen die zusätzlichen Farben Orange und Gelb anbietet. Warum sollte man also nicht die potentielle Vielfalt erzüchten? Vor allem der Betta bietet Potential in Sachen Verhalten UND Farbe auf!

Weitere Farbvarianten: weist der Kampffisch weiterhin weiße oder grüne, teilweise auch blaue einzelne Punkte oder Schuppenfelder auf, wird er als Galaxy bezeichnet. Der Candy hingegen hat weiße Flecken und entstand ursprünglich aus der Kombination mit dem Dragon Gen.

      
Betta vor dem Marblen, währenddessen und danach

Chromatophren und „springende“ Gene

Nahezu endlos könnte man diese Genetik aufrollen- aber eigentlich ist doch nur interessant, wie der Koi zu seinem Muster kam. Die Erklärung ist einfach: dank der Marble Genetik, die bis heute noch nicht zur Gänze erforscht werden konnte, da hierzu noch immer eindeutige DNA Analysen fehlen- die aber bereits im Gespräch sind.

Was aber ist nun ein „Marble“? Abi Rowlands, angehende Wissenschaftlerin der Prifysgol Aberystwyth University, widmet sich dieser These: „Die Zeichnung, die als Marble auftaucht, besteht aus zwei wichtigen Aspekten: zum einen der Fähigkeit, dass ein einzelner Fisch im Laufe seines Lebens seine Farbe drastisch verändert und außerdem das scheinbar zufällige oder zumindest nicht nachvollziehbare Vererbungsmuster, die diesen Effekt auslöst.“ Demnach ist Marble der Name für eine Mutation, die die Farbanordnung beim Kampffisch verändert. Außerdem „sei die populärste Hypothese, die derzeit im Betta-Hobby präsentiert wird, ein übertragbares Element, das in und aus den pigmentbezogenen Genen verschoben würde und so dieses Merkmal verursache. Eine Unterbrechung der Pigmentproduktion in den Chromatophoren führe zum phänotypischen Effekt und der Vererbung.“ Allerdings weist sie darauf hin, dass diese Theorie hinkt und erforscht daher den Marble-Effekt in Zusammenhang mit der Autoimmunkrankheit Vitiligo, da diese beiden etliche Gemeinsamkeiten aufweisen, „im Gegensatz zu dem bei Vögeln und Säugetieren auftauchendem Vitiligo können Bettas aber ihre Farbe erneut anzeigen.“[1]





Interessanterweise ist der Marble-Effekt aber mittlerweile die verbreitetste Zeichnung unter den Bettas überhaupt, sodass es teilweise kaum noch Tiere ohne diese Genetik gibt. Bisher ließ sich, auch bei meinen Tieren, zumindest feststellen, dass Stressoren wie schwankende Wasserwerte, aber auch Transporte und Mitfische das spontane Mutieren auslösen können. Der Nachteil daran: gerade hochkarätige Fische können urplötzlich anfangen zu marbeln und über Nacht zu einem verwaschenen Irgendwas mutieren. Erbfest ist dieser Farbschlag noch ganz lange nicht. Vor allem daher rechtfertigt sich der teilweise hohe Preis, da die Farbverteilung sehr von den Eltern abhängt und genetisch stark variiert- auch bei den Jungtieren aus einer reinen Koi x Koi Verpaarung.



Zu meinem großen Glück konnte ich die Entstehung der Marbel Kampffische durch den Zeitzeugen und mittlerweile guten Freund Rajiv Massillamoni rekonstruieren, sodass ich mich auf seine Berichte beziehen darf. (Rajiv war im Übrigen einer derjenigen, die dem Halfmoon damals allen Widerständen zum Trotz zu seinem heutigen Ruhm verhalfen.)

Erstmals tauchte das Marbeln bei dem Gefängnisinsassen Orville Gully in den ´60ern auf. Gully versuchte, einen farblosen Kampffisch zu züchten und verpaarte diese „klaren“ Tiere solange miteinander, bis er eines Tages mit gesprenkelten und gefleckten Fischen konfrontiert wurde. Er arbeitete allerdings mit Walt Maurus, einem Mitglied der IBC, zusammen, der wiederum Gullys Fische in seinem Zoogeschäft anbot. Gefrustet und wütend übersandte Gully Maurus die Tiere, der aber ein großes Potential in ihnen erkannte und sie weiter züchtete- selbst weitere Mitglieder der IBC bekannten sich als Liebhaber,  sodass das Marble Gen, das selbst in einer Population von Marble x Marble nicht zu 100% weiter vererbt wird, als willkommenes Experiment in der Kreuzung verwendet wurde. Wie so oft fand auch der Marble über kurz oder lang seinen Weg wieder zurück nach Asien und wurde dort verkreuzt und gezüchtet, sodass wir uns heute über extrem farbenreiche Fische freuen können.

Letztlich bietet die Marble-Genetik einen unglaublichen Pool an Möglichkeiten, der unter anderem dazu beigetragen hat, dass die beliebten Koi, Grizzle, Hellboy, Samurai und wie sie alle heißen, heute im Aquarium schwimmen. Aufgrund der vielfältigen Kreuzungen könnte man heutzutage sogar eher vom Betta domesticus als vom B. splendens reden und eine ganze Bibliothek zusammen schreiben- und selbst dann hätten wir das Ausmaß und weitere neue Formen noch nicht vollständig ausgeschöpft.

 

Eine Überlegung am Rande

Beeinflusst die Marble-Genetik die Gesundheit oder das Wohlergehen der Koi? Betrachten wir sämtlichen optisch erkennbaren Parameter: Nein. Aus welchem Grund auch? Letztlich ist der Aufschrei von Quäkern, den die tollen Fische losgetreten haben, eigentlich völlig umsonst gewesen. Bislang weisen diese Tiere keine gesundheitlichen Einschränkungen auf. Lediglich die Möglichkeit der schier endlosen „genetischen Manipulation“- denn selektierte Zucht ist im Prinzip nichts anderes- durch das Kreieren neuer Farbformen scheint wohl einigen sauer aufzustoßen, warum bleibt wohl rätselhaft. Manchmal wird dabei aber vergessen, dass gerade diese Möglichkeit zu neuen Farbformen und Mustern quer durch die Aquaristik geführt hat: von der Zwerggarnele bis zum Guppy, die sich heute auf Championaten präsentieren und im Scheinwerferlicht räkeln und mit Trophäen und Pokale prämiert werden.

Und mal unter uns Fischbademeistern gesprochen: auch in Seen und Flüssen mutieren Wildfische zu erstaunlich neuem Aussehen- nahezu ganz ohne menschliches Zutun- und da wird auch nicht gequakt.

 

Text und Bilder: Lou Herfurth

LITERATUR: An investigation into the Colour Changing Capabilities of Domesticated Betta splendens with a Proposed Link to Vitiligo, Abi Rowlands, Prifysgol Aberstwyth University

Besonderer Dank an:
German Betta Contest, Melanie Richter
Territory Bettas, Joep van Esch
Rajiv Masimalloni


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