Beitrag teilen:

Stachelaale im Aquarium

Vor nunmehr sechs Jahren streifte ich mal wieder durch ein Aquaristikfachgeschäft. Auf einmal fühlte mich beobachtet. Wer oder was spähte mich da aus? In einem Becken entdeckte ich ein schlangenartiges Tier, das – ganz in der Manier einer Kobra – hinter einem Stein stand und jede meiner Bewegungen aufmerksam verfolgte. So verlief meine allererste Begegnung mit einem „Stachelaal“. Und mein Interesse war geweckt.

Je mehr, desto besser: Ein Beispiel für die Beckeneinrichtung.

Inhaltsverzeichnis

 

Die meisten Arten sind sehr gesellig. Hier sieht man Macrognathus lineatomaculatus, M. frenatus und M. pancalus zusammen.

Von Märchen und Mythen

Leider brachte mich der Begriff „Stachelaal“ nicht wirklich weiter, denn es ranken sich viele Mythen und Märchen um diese katzenhaften Wesen im Aquarium, aber nicht sehr viel Wahres. Die Internet-Recherche nach „Stachelaalen“ wird bei meist mehr Verwirrung als Klarheit stiften. Tatsächlich bekommt man schon bei der Suche nach den Arten einen guten Überblick über das Informations-Chaos.

Die Trivialbezeichnungen sind sowieso nicht aussagekräftig und wenn dann noch nur die Augenflecken in der Schwanzflosse zur Identifikation herangezogen werden, bekommt man Macrognathus siamensis und M. aculeatus ebenso wie M. aral unter der Bezeichnung „Augenfleckstachelaal“ verkauft. Auch die Google-Bildersuche hilft nicht weiter, alle Arten erscheinen unter allen möglichen Namen. Einzig die wissenschaftlichen Beschreibungen würden Aufschluss geben, aber an die kommt man selten heran.

Ein weiteres Märchen lautet: Stachelaale muss man einzeln halten, sie sind sehr aggressiv. Das Gegenteil ist der Fall: Stachelaale fühlen sich erst in einer Gruppe von fünf bis zehn Tieren richtig wohl. Und sie lieben Gesellschaft von unbekümmerten Beifischen wie etwa Corydoras, die ihnen signalisieren, dass keine Gefahr droht.

Lediglich mit Garnelen sollte man sie nicht vergesellschaften, die haben sie zum Fressen gern!

 

Ein Jungtier von Macrognathus maculatus auf Futterjagd.

Unterscheidungsmöglichkeiten

Es gibt zwei Hauptgattungen: Mastacembelus und Macrognathus. Der unsichtbare Unterschied liegt im Rostrum: Macrognathus haben dort eine Knochenplatte, was sie in die Lage versetzt, ihren (verlängerten) Rüssel zu mehr als sensorischer Wahrnehmung zu nutzen. Mastacembelus besitzen diese Platte nicht, das Rostrum ist kürzer.

Ein sehr wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Rücken/Schwanzflosse. Diese bildet bei den Mastacembelus eine umlaufende, ununterbrochene Flosse, während bei den Macrognathus die Schwanzflosse „abgeschnürt“ von der Rückenflosse eine Unterbrechung zeigt.

 

Ein Paar der Feuerstachelaale (Mastacembelus erythrotaenia).

So groß werden sie

Die Größe variiert zwischen 16 cm (M. pancalus) bis zu 100 cm (M. erythrotaenia). Man sieht, dass es recht wichtig ist, die richtige Artenbezeichnung zu erhalten, bevor man sich für solche Tiere entscheidet. Wenn man wie ich mit Macrognathus circumcinctus (Gürtelstachelaal) und einer Endgröße von 18 cm rechnet und erhält stattdessen M. maculatus mit 30 cm, ist das schon ein mächtiger Unterschied!

 

Mastacembelus frenatus: Hier erkennt man die komplett umlaufende Rücken-/Schwanzflosse

INFOBOX Gängige Arten:

Macrognathus circumcinctus und M. maculatus unterscheiden sich deutlich an der Zeichnung am Bauch: M. circumcinctus hat schwarze Streifen, die sich über den Bauch ziehen, M. maculatus hat dort keine Streifen.

Bei den Augenfleckstachelaalen ist die Unterscheidung anhand der Körperzeichnung relativ gut möglich:

• M. aculeatus hat rötliche Schwanzflossen, relativ große Augenflecken und senkrechte, breite Streifen auf dem Körper. Die Augenflecken sind weiß umrandet.

M. aral ist grünlich-beige mit je einem beigen und dunkelgrünen Längsstreifen. Die Augenflecken sind gelbgrün umrandet.

M. siamensis ist im Grundton hell bis dunkelgrün mit einem sehr schmalen, hellen Längsstreifen. Die Augenflecken sind gelblich/weiß umrandet.

M. lineatomaculatus ist in der Grundfärbung gleich dem M. aral. Aber die Augenflecken sind sehr klein oder gar nicht vorhanden.

M. zebrinus sind ziemlich unverkennbar mit ihren schwarz-grünen senkrechten Streifen.

 

Ein Macrognathus-zebrinus-Männchen mit ganz gerader Bauchlinie.

Haltungsbedingungen

Die Haltungsbedingungen unterscheiden sich nur in den Wasserwerten und, bei den ganz großen Arten wie Mastacembelus erythrotaenia (Feuerstachelaal) und M. armatus (Marmorstachelaal) etwas in der Beckeneinrichtung.

Bei den „kleineren“ Arten bis 40 cm sollte man den Boden mit Steinhaufen und Wurzeln strukturieren. Steine sollte man mit Silikon verkleben und darauf achten, dass die Zwischenräume genug Platz für adulte Tiere bieten! Wichtig ist: Wenn der Aal mit seiner Schwanzspitze immer eine Deckung berühren kann, fühlt er sich sicher. Und wenn sich Stachelaale sicher fühlen, bekommt man sie auch tagsüber häufig zu Gesicht.

 
Bei diesem M.-zebrinus-Weibchen kann man den Absatz an der Bauchlinie, das „Doppelkinn“, gut erkennen.

Bodengrund und Dekoration

Der Bodengrund muss zwingend aus Sand oder feinem Kies bestehen, denn alle Stachelaale bis auf Feuerstachelaale graben sich in den Bodengrund ein. Dem muss man übrigens auch bei den Pflanzen Rechnung tragen: Die sollten gut angewurzelt sein, bevor man Stachelaale einsetzt.

Bei den großen Arten muss man bei der Dekoration ganz besonders darauf achten, dass es keine vorstehenden Kanten gibt. Die Tiere neigen nämlich dazu, wie ein Bulldozer durchs Becken zu schwimmen. Dabei knallen sie gern gegen Hindernisse und fügen sich dabei selbst Wunden zu.

Der Grünstreifen-Stachelaal (Macrognathus ara) mit Augenflecken.

Häufig wird über „weiße Flecken“ bei Feuerstachelaalen geklagt, die auch zum Tode führen können. Meine Fische hatten anfangs auch diese Flecken, bis ich herausfand, dass es in Wirklichkeit Hämatome sind. Nachdem ich die gesamte Inneneinrichtung begradigt hatte, sind diese Verwundungen nicht mehr aufgetreten und alles ist sauber abgeheilt.

 

Macrognathus circumcinctus mit Jungtier.

Ausbrecherkönige

Besonders wichtig ist, das Aquarium ausbruchsicher abzudecken. Stachelaale sind wahre Ausbrecherkönige und nutzen schon die kleinste Lücke.

 

Macrognathus circumcinctus mit Jungtier.

Schwimmfreudig

Eine Anmerkung noch zu den großen Arten: Feuerstachelaale sind sehr schwimmfreudig. Sie werden in gut gepflegten Aquarien rund 70 bis 80 cm groß. Und auch sie sollten in einer Gruppe zu mindestens fünf Tieren leben. Das bedeutet, sie benötigen ein Aquarium in der Größe 250 x 100 x 100 cm. Die Tiere werden häufig im Handel angeboten, aber fristen in vielen Aquarien ein sehr beschränktes Leben. Das sollte man als verantwortungsbewusster Halter vermeiden.

Feuerstachelaale (M. erythrotaenia) beim Futterbetteltanz an der Scheibe.

Bei M. armatus sollte man bei der Vergesellschaftung vorsichtig sein. Sie sind, neben den Malawi- und Tanganjika-Arten, so ziemlich die aggressivsten Stachelaale in der Aquaristik. Man sollte sie sehr jung als Gruppe mit maximal zwei Männchen zusammenführen. Einzeln gehalten werden sie sonst anderen Stachelaalen gegenüber sehr angriffslustig.

 

Macrognathus lineatomaculatus ohne Augenflecken.

Ernährung

Das Futter sollte aus Lebend- und oder Frostfutter bestehen. Manche Stachelaale in Gesellschaftsbecken fressen irgendwann auch Granulat, aber das ist nicht sonderlich förderlich für die Tiere.

 

Im Laichmopp hängt Macrognathus pancalus.

„Von Stalkern und Psychoterroristen“

Stachelaale beherrschen den Psychoterror des Bettelns. Irgendwann kommen sie dahinter, wer das Futter bringt. Dann wird ein Tänzchen an der Aquariumscheibe aufgeführt, welches seinesgleichen sucht. Die Inszenierung beginnt mit einem relativ harmlosen senkrechten Tänzchen, bei dem der Körper etwas geschlängelt wird. Sobald der Aal bemerkt, dass man zu ihm hinschaut, geht er in die Waagerechte über und verfällt in Zuckungen, als ob er im Todeskampf liegt.

Richtig schön ist, dass sie früher oder später alle handzahm werden. Im Netz findet man viele Videos von Feuerstachelaalen, die mit der Hand gefüttert werden.

 

Macrognathus lineatomaculatus in Beobachtungsposition

„Bedächtige Tiere“

Die Jungtiere zeigen deutlich, dass Stachelaale alles mit großem Bedacht tun. Junge Aale fressen nichts, was sie nicht kennen, ohne es von allen Seiten zu betrachten. Das führt beim Ersteinsatz von Lebendfutter zu manchem Lachkrampf: Da werden weiße Mückenlarven genau betrachtet und beschnüffelt und wenn das Futter die Flucht ergreift, bleibt das Stachelaalkind verwirrt zurück. Irgendwann lernen sie, die Larven zu fangen und zu fressen.

Gürtelstachelaale(M. circumcinctus) mit den typischen Streifen am Bauch, sie glucken gern zusammen.

Das Gleiche gilt für ausgewachsene Tiere: Stachelaale schauen sich immer alles sehr genau an, bevor sie agieren. Sie brauchen etwas Zeit, bis sie beschließen, dass von einem Menschen keine Gefahr droht. Wenn sie soweit sind, hat man viel zu beobachten.

 

Junger Mastacembelus armatus mit Python-Färbung.

Geschlechterunterscheidung

Männchen und Weibchen auseinanderzuhalten, ist bei diesen Fischen erfreulicherweise relativ einfach: Die Mädels haben einen deutlich sichtbaren Absatz vom Kopf zum Körper an der Bauchlinie, quasi ein „Doppelkinn“. Bei den Jungs ist hier eine gerade Linie ohne Absatz.

 

M.-maculatus-Larve mit weißer Mückenlarve – da hatte sie sich ein bisschen zu viel vorgenommen.

Vermehrung

Ich bin dankbar, dass Fische nicht lesen können. Ansonsten wäre mir eins der schönsten Erlebnisse entgangen: der Nachwuchs. Doch, sie vermehren sich! Bei meinen M. maculatus hatte ich 70 Jungtiere. Und auch meine M. circumcinctus haben mich schon mehrfach mit Nachwuchs beglückt.

Das Ganze funktioniert von allein. Man richte das Becken ordentlich ein, gebe feinfiedrige Pflanzen hinzu, die an der Oberfläche fluten, schraube die Temperatur auf 28° C und füttere reichlich Lebendfutter. Schwupps, schwimmen in absehbarer Zeit ein paar Miniaturstachelaale im Becken. Ich habe sie noch nie ablaichen sehen. Ich weiß nur von einer Bekannten, dass der Vorgang wohl in den frühen Morgenstunden stattfindet.

 

Mastacembelus dayi: Sehr selten im Handel und innerartlich sehr aggressiv. Mit anderen Arten erstaunlich gut verträglich.

„Ich bin ein Stock, du siehst mich nicht“

Die Jungtiere erscheinen im Alter von ca. sieben Tagen freischwimmend im Becken. Vorher liegen sie auf dem Boden und verbrauchen ihren Dottersack. Bei mir tauchten plötzlich diese 5-mm-Würmchen auf, die einen unverkennbaren Schwimmstil an den Tag legen: „Ich bin ein Stock, Du siehst mich nicht.“ Dieses ungezielte Dahintreiben schützt sie vor Fressfeinden –Stachelaale selbst fressen ihren Nachwuchs nicht.

Die Kleinen fressen Artemia und Grindal und wachsen in den ersten sechs Wochen recht zügig. Dann wird es kritisch: Sobald sie mit anderem Futter beginnen, sterben sie unverkennbar an Darmverschlüssen. Ich vermute, dass es bei den Kleinen Verdauungsprobleme gibt, wenn sie zu früh weiße Mückenlarven fressen. Bei späteren Jungtieren habe ich diese erst sehr viel später gefüttert und das große Sterben blieb aus.

Text und Fotos: Jutta Bauer


Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.

Ich habe die Datenschutzbestimmungen zur Kenntnis genommen.

Shopware Agentur  six-media.de