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Wie winzige Fischlein den weltgrößten Regenwald retten

Inhaltsverzeichnis

 

Aquarianer haben viele gute Argumente für ihr Hobby

Ja, wir müssen uns immer öfter für unser Hobby rechtfertigen, genau wie Zoos für ihre Arbeit. Aber wir können das mit gutem Gewissen tun! Es gibt viele gute Gründe, warum es gut ist, was wir Aquarianer tun. Warum es nicht der Umwelt schadet und erst recht keine Arten ausrottet.

Zuletzt versucht der Umweltausschuss des Bundesrats auf Initiative einer CDU-Grüne-FDP-Koalition in Schleswig-Holstein, den Import von Wildtieren generell zu verbieten. Die Länderkammer könnte dann den Bundestag dazu auffordern, eine entsprechende Gesetzesvorlage zu entwickeln.

Ein breites Bündnis vieler Vereine unter Federführung von BNA (Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz), DGHT und VDA kämpft dagegen an. „Sprechen Sie auch befreundete Terrarianer und Aquarianer an, die noch nicht bei uns organisiert sind. Nur durch starke Interessenvertretung werden wir bei den Entscheidern wahr- und ernstgenommen“, ergänzt hingegen DGHT-Präsident Dr. Markus Monzel. Darum solle jeder Einzelne seinen Bundestagsabgeordneten auf die Zehen treten und gegen kurzsichtige Politik aufstehen, die unser Hobby bedroht.

Zuvor starteten konkrete Versuche, die Haltung von nahezu allen anderen Tieren außer Katzen und Hunden in privater Hand in Kanada komplett zu verbieten und eine entsprechende Umfrage des Umweltministeriums in Belgien, Hawaii hat den kommerziellen Fang von Zierfischen sogar gänzlich verboten.


Ein Projekt mit fragwürdiger Ökobilanz: Der Belo-Monte-Staudamm in Kolumbien. Foto: Dr. Stefan Karl Hetz

„Wahnsinn in Tüten“

Ahnungslose Politiker lassen sich von falschen Behauptungen (beispielsweise, dass Clownfische sich nicht nachzüchten lassen) beeinflussen, die in der Gesellschaft bald wie Fakten erscheinen, weil sie so oft so laut wiederholt werden. Wir müssen Politiker stärker mit den Stärken unseres Hobbys konfrontieren – was man nicht kennt, verbietet man leichter. Die Fachverbände wurden von der Bundesratsinitiative kalt erwischt, gibt VDA-Präsident Jens Crueger zu. „Der Wahnsinn in Tüten, dem wir mit viel Fachwissen entgegenarbeiten.“

Aktiv in Fachgruppen und Vereinen mitarbeiten, Nachzuchten vorantreiben, Vorträge halten, Jugendarbeit intensivieren und mit Schulen zusammenarbeiten sind dabei Möglichkeiten. Schon Kindern früh den Lauf des Lebens und das Wunder der Amphibienmetamorphose (mittels Froschlaich, absurderweise verboten) nahezubringen, etwa mit einem vernünftigem Biologieunterricht samt Tierhaltung, würde sicherlich viel mehr bringen als jedes Wildtier-Verbot, und für Nachwuchs bei Biologieinteressierten und Naturschützern sorgen.

Professor Roberto Reis, Pontificial Catholic University Rio Grande do Sul: Ein Aquarium kann wichtig sein, um Kindern den Wert des Lebens näher zu bringen, um Vielfalt wahrzunehmen und den Wert ökologischer Zusammenhänge zu erkennen. Ich denke, dass man eine Menge daraus lernen kann.“

 

Brandrodung für Viehaltung und Landwirtschaft mit anschließender Erosion und Verschlammung der Flüsse sind ein großes Problem. Foto: Wolfgang Staeck

Fischfänger schützen Regenwald

Im Allgemeinen sind nicht die lokalen Fischer das Problem, sondern Umweltverschmutzung, Habitatzerstörung, Abholzung und Entwaldung, Viehzucht oder landwirtschaftliche Flächen mit folgender Verschlammung der Flussbetten, Wasserumleitung zur Bewässerung, Staudämmen für Wasserkraftwerke und Goldabbau, der das Flussbett völlig zerstört und in einigen begrenzten Gebieten zu schweren Quecksilbervergiftungen, Extremdürren und Austrocknung durch den Klimawandel, expandierender Tourismus, Industrie, invasive nichtheimische Arten oder ungeeignete Fangmethoden und illegales Fischen (mit Dynamit oder Gift). Ein Fünftel des Amazonas-Regenwalds wurde in den letzten 40 Jahren für Tropenholz, Soja, Rinder und Goldschürfen abgeholzt.

Tatsächlich schützen die Fänger der kleinen Fische den Regenwald, auch in Kolumbien, wie Stefan Karl Hetz weiß. Der Biologe und wissenschaftliche Berater des ZZF (Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe e.V.) war selbst in der kolumbianischen Estrella Fluvial Inirida und bei den L-Welsfängern in Altamira, die genaue Angaben für Größe und Anzahl der gewünschten Fische aus der Exporteurstadt Belem bekommen. Das Gebiet werde seit einigen Jahren auch von Anglern, Aquarianern und Ökotouristen besucht, im Zentrum ist ein Ramsar-Schutzgebiet eingerichtet worden.

„Das funktioniert ganz gut, was wohl daran liegt, dass es den Fischen, der Natur und den Menschen hilft“, erklärt Hetz. Wenn man einen Lebensraum schütze, etwa einen Regenwald in Asien mit dem Fokus auf Orang-Utans, „dann schütze ich ja die Torfsümpfe mit den besonderen Gewässern und deren Bewohner auch mit“. Darunter seien auch Zierfische, „die aber meistens nur wir Aquarianer kennen“. Leider würden gerade dort mitunter Palmölplantagen 40% der ehemaligen Waldflächen belegen.

Dr. Stefan Karl Hetz gibt noch einen guten Grund an: „Wenn nicht wir, wer dann? Es kümmert sich doch bei Fischen niemand, ob die da sind oder nicht.“ Er ist jedenfalls gegen pauschale Verbote. „Wichtig sind immer die für jede Art oder Kategorie von Tieren bzw. Fischen geltenden Gründe und wie sie gefangen und transportiert werden.“ Es gebe umfangreiche Regelungen wie CITES wie auch Beschränkungen in den Herkunftsländern, die beim Export überprüft werden.

 
Großflächige Waldbrände verändern die Ökosysteme ganzer Landstriche, hier im braslianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul. Foto: Wolfgang Staeck

 


Eine Familie am Rio Ventuari hat ihr Heimatdorf verlassen, um in der Trockenperiode L-Welse für den Export zu fangen. Foto: Wolfgang Staeck


Schnell werden die Fische mit Sauerstoff aus einer Flasche in Plastikbeuteln verpackt, die nicht mit Gummi verschlossen, sondern verknotet werden. Foto: Wolfgang Staeck

Für die indigene Bevölkerung ist der Fang von Aquarienfischen in vielen Ländern eine wichtige Einkommensquelle, im Hintergrund die Netzkäfige zur Zwischenhälterung. Foto: Wolfgang Staeck

INFOBOX Projekt Piaba

  • Es gibt ein paar Schutzinitiativen vor Ort. Das vielleicht wichtigste und erfolgreichste ist das Piaba-Projekt, das 1991 am Rio Negro nördlich von Manaus, Brasilien, vom taiwanesischen Biologen Ning Labbish Chao ins Leben gerufen wurde. Dabei handelt es sich um ein gemeinschaftsbasiertes, nachhaltiges Zierfischereiprojekt, das auf der Erkenntnis beruht, dass die Menschen, die von der Ernte von Zierfischen leben, den Wald erhalten müssen. Der Slogan des Projekts „Kauf einen Fisch und rette einen Baum“ beschreibt diese Absicht.
  • Es basiert auf der Prämisse, dass diese Dschungelfischer den Regenwald schützen, die lokale Wirtschaft ernähren und den Tierschutz fördern – und das alles, indem sie wilde Fische aus ihrem natürlichen Lebensraum holen, um sie Tausende von Kilometern weit weg zu transportieren.
  • Inzwischen ist Projekt Piaba vernetzt mit Zoos und öffentlichen Aquarien, Naturschutzvereinen, der UN, der Wissenschaft sowie Führungskräften im Heimtierhandel. Es gibt regelmäßig Schulungen für Piaberos, Zwischenhändler und Exporteure, wie man die Tiere am besten behandelt und nachhaltig agiert. Das Projekt dient inzwischen als Modell auch in anderen Regionen der Welt, so in den Western Ghats von Indien oder in den Korallenriffen vor Bali.
  • Covid hat auch die Piaberos und Project Piabo schwer getroffen. Aber immerhin hat es dafür gesorgt, dass Menschen mehr Zeit in Heimtiere investiert haben, das hat die Verluste etwas ausgeglichen. Jeder Fisch, der exportiert wird, bringt Geld ins Land, trägt zum Einkommen der Fischerfamilien und zum Erhalt der Umwelt bei.


Porto Inirida ist in Kolumbien das Zentrum der kleinen Fischfänger. Foto: Wolfgang Staeck

Exporteure in Belem sortieren Ancistrus ranunculus. Foto: Dr. Stefan Karl Hetz

Beim Großhändler Aquarium Dietzenbach sind rund 70% der Tiere Nachzuchten. Herbert Nigl sagt: „Der Rest sind Wildfänge, die Einheimischen ein Einkommen bescheren und die dafür auf die Fanggebiete achten.“ Die kommen aus Manaus in Brasilien, Belen in Kolumbien sowie Peru, Indien, dem Kongo, Guinea und Nigeria. Nigl unterstützt auch Züchter und kennt alle Lieferanten selber gut: „Die wissen, dass sie von den Tieren und der Natur um sie herum leben und achten deshalb darauf.“

Text: Oliver Mengedoht

 

INFOBOX: Argumente für private Tierhaltung

• Aquarianer erhalten und schützen die Umwelt: Fischarten für die breite Masse werden nachgezogen, Wildfänge der in der Aquaristik selteneren Arten sichern lokalen Fischerfamilien das Einkommen, die dort per Hand sammeln und nachhaltig arbeiten. Die wiederum schützen ihre Regenwälder und Fanggebiete, denn ohne intakte Biotope könnten sie auch keine Fische mehr fangen.

• Aquarianer sorgen mit dafür, dass Regenwälder und andere Süßwasserhabitate erhalten bleiben und nicht abgeholzt werden, um dort Palmöl anzubauen, Vieh zu züchten oder mit Goldabbau die ganze Gegend zu verseuchen.

• Ohne Aquarianer gäbe es fast kein Wissen über Kleinfische.

• Studien zum Import von Zierfischen zufolge liegt die Mortalitätsrate zwischen ein und zwei Prozent während des Transports – unterhalb des Anteils, der unter natürlichen Bedingungen in der gleichen Zeit zu erwarten wäre!

• Zierfische werden mit dem Ziel gefangen, sie am Leben zu erhalten. Es sind sehr kleine Netze im Vergleich zur Speisefischerei, gezielte Fänge und kaum unerwünschte Beifänge (ein Beispiel: Rund 15 bis 20 Millionen Seepferdchen verenden jährlich als Beifang kommerzieller Fischer, ca. 3.200 werden für die Aquaristik gefangen).

• Zierfische leben in der Regel länger als ihre Artgenossen in freier Natur.

• Wildtierhalter sind die natur-interessiertesten Menschen überhaupt, Bewahrer des Fachwissens und Helfer des Artenschutzes.

• Aquarianer müssen kein schlechtes Gewissen wegen ihrer Fische haben – im Gegenteil!


Bei der VDA-Kampagne Rette den Naturschutz kannst auch Du mitmachen: www.rette-den-artenschutz.de.

Die Anlage eines Zwischenhändlers mit Fischteichen im Urwald. Foto: Wolfgang Staeck

Auch der Skalar Pterophyllum altum ist ein wichtiger Exportfisch. Foto: Wolfgang Staeck

Fischfänger in Santa Rosa im Ramsar-Schutzgebiet in Kolumbien. Foto: Dr. Stefan Karl Hetz

Quellen:

Reis, R.E. (2013): Conserving the freshwater fishes of South America. International Zoo Yearbook 47: 65-70.
Don McConnell (2021): Wild gefangen – Der Zierfischhandel am Amazonas. https://kurzelinks.de/wildgefangen
Project Piaba: http://www.projectpiaba.org
Frank Schäfer (2021): Franky Friday: Wollen die Grünen die Aquaristik verbieten? https://kurzelinks.de/frankyfriday
VDA (2021): Rette den Artenschutz: https://rette-den-artenschutz.de
WWF (2021): The World’s Forgotten Fishes. https://kurzelinks.de/forgottenfishes

 


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