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Der schönste Aquarienfisch der Welt!

Inhaltsverzeichnis

 
Ein roter Neon aus Kolumbien.

Ein ganzes Festival für den Roten Neon

Von den 200 bis 400 regelmäßig gehandelten Fischarten gibt es nur eine Art, nämlich den Roten Neon (Paracheirodon axelrodi), der in großer Stückzahl und überwiegend als Wildfang gehandelt wird. Die jährliche Exportrate aus Brasilien betrug nach offiziellen Angaben bis zu 20.000.000 Exemplare. Sie werden aus dem brasilianischen Rio-Negro-Gebiet nach Europa (und von hier aus in alle Welt) und die USA ausgeführt.

Diese Wildfangfischerei hat sich, wie die seit 1989 laufende wissenschaftliche Langzeitstudie des „Projeto Piaba“ zeigt, als nachhaltig und ohne jede negative Folge für die Umwelt herausgestellt (siehe http://projectpiaba.org/what-we-do/research/).

Das Zierfischfest im Piabodrome in Barcelos ist inzwischen ein Touristenmagnet. Foto: Don McConnell


Man kann Rote Neons durchaus in der erforderlichen Menge nachzüchten, doch ist das überhaupt nicht wünschenswert. Denn durch den Verdienst mit der nachhaltigen Wildfangfischerei werden die lokalen Caboclos nicht zu Brandrodung und Goldschürfung (mit der verheerenden, damit einher gehenden Verseuchung der Gewässer mit Quecksilber) gezwungen. Der Regenwald bleibt intakt, die Gewässer auch und mit ihnen die 400 bis 600 Arten weiterer Süßwasserfische, die mit dem Roten Neon gemeinsam vorkommen und nur in ganz kleinen Stückzahlen für den Weltmarkt interessant sind.

Nicht ausgewachsene Rote Neons werden in Freilandteichen zwischengehältert, bis sie einen langen Transport besser aushalten.

Auch Tierschutzargumente greifen nicht gegen den Wildfang der Roten Neons, denn es ist wissenschaftlich unumstritten, dass die Roten Neons in der Natur nach dem Ablaichen ohnehin fast immer an Entkräftung und Nahrungsmangel sterben (Geisler & Annibal, 1984), wodurch sich auch die Verluste unmittelbar nach dem Fang erklären, die von sogenannten Tierschutzorganisationen angeprangert werden.

Die Tiere, die Fang und Transport zu den Exportstationen nicht überleben, wären in der Natur mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit auch gestorben. In den Exportstationen werden die Fische aufgepäppelt, bevor sie verschickt werden. Die Verlustrate unter den Importfischen liegt bei 1,34% (Homuth, M. (2010): Mortalitätsraten im internationalen Zierfischhandel unter Berücksichtigung ausgewählter Wasserparameter. Masterarbeit, Humboldt-Universität zu Berlin).

Während Rote Neons in der Natur zu den annuellen Arten gezählt werden müssen, weil sie unter natürlichen Lebensbedingungen mit etwa einem Jahr sterben, liegt die Lebenserwartung im Aquarium bei durchschnittlich drei bis vier, maximal sechs bis acht Jahren, der Rekord sogar bei zwölf Jahren (Geisler & Annibal, 1984).

Logo des „Festival do Peixe Ornamental de Barcelos“ mit Roten Neons und Diskus.

Neon ade – Barcelos ade?

Barcelos liegt in Brasilien am Rio Negro. Nach einem Boom durch das Gummi-Monopol schien die Stadt später dem Tode geweiht, weil Gummibaum-Samen außer Landes geschmuggelt und damit Plantagen in Asien angelegt wurden. Ein kleiner Fisch brachte die Rettung: 1956 entdeckte man in Nebenflüssen des Rio Negro „den schönsten Aquarienfisch der Welt”, den Roten Neon, Paracheirodon axelrodi. Und der ließ sich zunächst nicht züchten. Es wurden hohe Preise für dieses Urwald-Juwel gezahlt.

Seit 1994 wird in jedem Januar das Zierfisch-Festival „Festa Peixe Ornamental“ gefeiert, wo die Fische und ihr Fang zelebriert werden. Dafür wurde sogar das eigene Stadium gebaut, das Piabodrome (Piaba werden die kleinen Fische genannt, ihre Fänger sind dementsprechend die Piaberos). Zwei Teams treten dabei in den Farben des Roten Neon an, rot und blau, sowie in gelb-schwarz für den Diskusfisch.

Ein großer Teil der etwa 30.000 Einwohner von Barcelos lebte und lebt noch heute direkt oder indirekt vom Roten Neon, die Rede ist von 60% der Wirtschaftskraft dieser Stadt, trotz nur geringer Auswirkungen auf die Umwelt. Zu Spitzenzeiten sollen bis zu 40 Millionen Rote Neons jährlich exportiert worden sein – in den letzten Jahren ist jedoch ein enormer Rückgang zu verzeichnen, auf zuletzt unter 5 Millionen Fische insgesamt (der Rote Neon macht etwa 80% der Zierfisch-Exporte aus).

 

Ein von Piaberos vorübergehend bewohntes Camp auf einer Sandbank.

Drastischer Rückgang

64 Fischergruppen fangen an ungefähr 20 Stellen am Rio Negro und seinen Nebenflüssen per Hand Zierfische, am produktivsten die Gegend um Daracoá. Sie sammeln bis zu 1.500 Fische am Tag an durchschnittlich 20 Tagen im Monat. Das macht etwa 8.000 kg Zierfische im Jahr – bei einer Fläche von über 122.000 Quadratkilometern. Diese Entnahme ist also äußerst nachhaltig.

Jedes Jahr verenden viele Milliarden der kleinen Fische in der Trockenperiode in austrocknenden Gewässern. Dieses Schicksal bleibt den Tieren erspart, die in die Netze der Fischer gelangen. Letztlich ist die Kaufkraft der Exporteure in Manaus der bestimmende Faktor: Wenn die nicht bestellen, wird auch nichts gefangen.

Auch aus Kolumbien werden inzwischen Rote Neons exportiert, hier Fischfänger im Schutzgebiet Ramsar. Foto: Stefan Karl Hetz

Schickanöse behördliche Auflagen, der Abzug von Arbeitskräften für Mammutprojekte wie den Bela-Monte-Staudamm am Rio Xingu und eine unkluge Geschäftspolitik ließen den Export der Roten Neons aus Brasilien drastisch zurückgehen. Dazu kamen drastisch gestiegene Frachtpreise und 2008 die Weltfinanzkrise. So ist heute nicht mehr Brasilien Hauptexporteur, sondern Kolumbien. Und in Asien züchtet man inzwischen massenweise Rote Neons…

Ein großer Teil Fische stirbt während der Niedrigwasserperiode, weil zahlreiche Gewässer zwischen Trocken- und Regenzeit periodisch austrocknen, hier in Bolivien.

In den letzten Jahren hat sich zudem ein weiterer Wirtschaftszweig am Rio Negro etabliert: Hier verläuft die Hauptroute des Kokainschmuggels. Wer als Piabero kein ausreichendes Einkommen mehr findet, muss schauen, wovon er lebt…

Text: Frank Schäfer & Oliver Mengedoht, Fotos: Wolfgang Staeck

Literatur:

Zehev B.S. et al. (2015): Ornamental Fishery in Rio Negro (Amazon region), Brazil: Combining Social, Economic and Fishery Analyses. Fisheries and Aquaculture Journal 6: 143. doi:10.4172/2150-3508.1000143


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