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Fisch mit Superkräften- der Tilapia

Inhaltsverzeichnis

 

Nach dem katastrophalsten Jahrhundert-Waldbrand Kaliforniens wurden innerhalb weniger Wochen drei eher ungewöhnliche Tiere Patienten der Chef-Tierärztin Jamie Peyton vorgestellt: zwei junge Bären stellten die ansonsten sehr erfahrene Veterinärmedizinerin vor eine echte Herausforderung, denn beide hatten sich im Feuer so sehr die Pfoten versengt, dass sie nicht mehr in der Lage waren, sich eigenständig zu versorgen oder gar vorwärts zu bewegen. Ein Leben in der Wildnis war so somit undenkbar. Wenige Tage später ergänzte ein Berglöwen-Baby mit denselben Verletzungen das Trio.

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Eine kritische Lage

Unter veterinärmedizinischen Aspekten mit dem Hintergrund, dass Methoden aus der Humanmedizin aufgrund mangelnder Compliance (bez. die aktive Mitwirkung des Patienten für den Behandlungserfolg.) nicht anwendbar waren, wäre dieser Umstand eigentlich das Todesurteil für die drei gewesen. Brandverletzungen aller Art, aber diese mit 3 Grad ganz besonders, erfordern eine kontinuierliche Pflege, die sich über Monate ziehen kann. Konventionelles Verbandsmaterial, das zudem alle 24 Stunden gewechselt oder erneuert werden sollte, bot sich nicht an, zumal die durchaus gefährlichen Wildtiere dazu jedes Mal hätten sediert werden müssen. Andererseits hätten die Bären das Prozedere aber auch anderweitig behindert, indem sie das Verbandsmaterial entfernt und unter Umständen geschluckt hätten. Noch dazu war eines der Weibchen trächtig. Da die Tiere zudem recht jung waren, bestand außerdem das Risiko, dass diese sich so sehr an den Menschen gewöhnen, dass sich das spätere Wiederauswildern verkomplizieren würde. Außerdem bestand die Gefahr, dass die Bärin ihren Nachwuchs vernachlässigt.

 

Die rettende Idee

Die Tierärztin entsann sich einer Dokumentation brasilianischer Wissenschaftler. In dieser wurden menschliche Verbrennungsopfer mit der Haut des Marienbuntbarsches, dem Tilapia mariae, erfolgreich behandelt. (Der Tilapia mariae ist übrigens nicht nur ein beliebter Aquariencichlide, sondern auch ein äußerst schmackhafter Speisefisch, der meist geräuchert angeboten wird.)

Die Tilapia-Haut war in der Lage, die Brandwunden feucht genug zu halten und verfügte über Enzyme und Kollagen, die die Wundheilung förderten. Zudem musste diese Bandage nur alle eineinhalb Wochen gewechselt werden- selbst wenn die Tiere diese abgerissen und gefressen hätten, wäre das Risiko minimiert gewesen. Peyton nähte also den sedierten Raubtieren die sterilisierte Fischhaut auf die Pfoten und war verwundert, dass diese die Behandlung nicht behinderten- es schien, als sei ihnen der schmerzstillende Effekt der Fischhaut geradezu bewusst. Sie staunte nicht schlecht, als die Pfoten nach nur 21 Tagen abgeheilt waren. Die Bären wurden mit einer allerletzten Tilapia Bandage im Los-Padres-Nationalpark ausgewildert, der Berglöwe war hingegen noch zu jung.

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Fische in der Forschung

Auch in der Humanmedizin hat die Fischhaut für Aufsehen gesorgt und wird mittlerweile unter anderem bei Diabetespatienten und chronischen Wunden eingesetzt, da lange Heilungsverläufe Infektionen und Amputationen begünstigen. Die Firma Kerecis aus Island zum Beispiel demonstriert diese Revolution in der Wundheilung und produziert Verbandsmaterial aus der Haut des Gadus morhua, dem Atlantischen Kabeljau. Dieses wird bereits zur Wundversorgung in der US-Armee eingesetzt und hat seinen Weg auch schon nach Deutschland gefunden.

Vor allem im Universitären Herzzentrum Hamburg kommt das Material zum Einsatz, das sich als überraschend erfolgreich bei Patienten erwies, deren Jahre alte Wunden nach bereits drei Monaten vollständig abheilten oder sich mindestens wesentlich verringerten. Zurück zu führen ist dieses Phänomen unter anderem auf Omega-3-Fettsäuren, die antibiotische und antiinflammatorische Wirkung aufweisen. Auch das Wundheilungszentrum Bad Oyenhausen ist mittlerweile „auf den Fisch gekommen“ und von der Wirkung des fischigen Pflasterersatzes so sehr überzeugt, dass eine groß angelegte Studie dies nun endgültig unter Beweis stellen soll.

 

Last but not least

Von Tieren in der Forschung zu sprechen ist immer ein zweischneidiges Schwert. Sollen diese oder Produkte aus ihnen noch dazu am Menschen zum Einsatz kommen, trennen sich häufig deutlich die Meinungen. Wir denken, es ist grundsätzlich nicht verkehrt, einen Blick über den Beckenrand zu wagen- zumindest um sich einen Überblick zu verschaffen.



Text & Bild: Lou Herfurth
Quellen: https://bit.ly/3le4wLp, https://bit.ly/3PmcX5c


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